Trauer, Hass und falsche Verbundenheit – Warnungen im Schatten einer Tragödie
Es sind zwei Tage vergangen und die Erschütterung sitzt nach wie vor tief. In der Nacht von Samstag auf Sonntag hat der 29-jährige Omar Seddique Mateen ein Attentat auf den Gay Club Pulse in Orlando Florida verübt. Am Ende dieses knapp vierstündigen Horrorszenarios hatten durch seine Hand 49 Menschen ihr Leben verloren und 53 weitere wurden verletzt. Mateen hat noch während des Attentats seine Zugehörigkeit zum islamistischen Terrornetzwerk IS deklariert, bevor er durch die Intervention der Einsatzkräfte starb. Das Attentat wurde schon kurze Zeit später als schwerwiegendster Terroranschlag seit 9/11 und als folgenschwerste Massenerschießung in der Geschichte der USA benannt.
Wir sind, wie viele Menschen rund um die Welt, zutiefst bestürzt und schockiert über diesen Angriff, der sich explizit gegen die LSBTTIQ*-Community gerichtet hat. Ein Angriff gegen Menschen, die in dieser „offenen“ westlichen Gesellschaft immer noch dafür kämpfen müssen gleiche Rechte zu haben. Ein Angriff an einem Ort, der als sicherer Rückzugsort für alle LSBTTIQ*-Menschen dienen sollte. Ein Angriff, bei dem auf Seiten der Politik das Thema LSBTTIQ* auch schon mal gerne ausgeklammert wird. Ein Angriff, der nun von einigen Politiker*innen instrumentalisiert wird, um den Hass gegen alle Muslime* und Musliminnen* zu schüren. Islamistischer Terror darf nicht mit dem Islam gleichgesetzt werden.
Trotz aller Trauer, Erschütterung und Fassungslosigkeit dürfen wir uns von diesem Hass nicht einnehmen lassen. Wir sollten nicht auf die Stimmen hören, die sich jetzt um unsere Rechte und Existenz sorgen, obwohl sie bis unmittelbar zuvor die Abnormalität und Widerwärtigkeit von LSBTTIQ*-Menschen propagierten. Noch Ende April hat Ex-Präsidentschaftskandidat Ted Cruz Trans*-Frauen als „geistesgestörte Männer in Frauenkleidung, die Frauen auf der Toilette missbrauchen wollen“, bezeichnet. Oder Präsidentschaftskandidat Donald Trump, der diese Tragödie nutzt, um ein generelles Einreiseverbot für Muslime* und Musliminnen* zu fordern. Wir müssen differenzieren, wer tatsächlich auf unserer Seite steht und uns die Hände reicht oder wer uns nur als weitere Minderheit, die es gegen eine andere auszuspielen gilt, betrachtet.
Unsere Gedanken und Solidarität sind bei allen Opfern*, Angehörigen*, Freund*innen und Betroffenen*. Wir dürfen uns in unserem Bestreben nach Gleichberechtigung und Freiheit nicht zerschlagen und unterkriegen lassen. Ereignisse wie dieses, in einer Zeit, in der die (rechtliche) Gleichstellung vermeintlich erreicht scheint, zeigen, wie wichtig dieses Bestreben heute noch ist und warum wir jedes Jahr erneut auf dem Christopher Street Day demonstrieren. Unser Kampf wird und muss weiter gehen.
Im Andenken an diese Tragödie rufen wir alle dazu auf an der Freiburger „Mahnwache für Orlando und gegen Gewalt“ am 15.06.2016 um 18 Uhr am Bertoldsbrunnen teilzunehmen.