Fazit – CSD Freiburg 2019

Fazit – CSD Freiburg 2019

Don´t be quiet – be riot!

Liebe Menschen,

jedes Jahr, kurz bevor die Parade startet, halten wir von der Orga kurz inne und versuchen unsere Aufregung im Zaum zu halten. Wir schauen uns dann ergriffen an und blicken zu Euch allen, die ihr Euch einbringt und einsetzt für die Rechte der queeren Community. Wir wollen unsere ersten Worte allen Helfenden und Unterstützenden widmen, die dieses Spektakel mit uns zusammen ermöglicht haben; nur durch diesen Einsatz konnten die Countdownwochen und das gesamte CSD-Wochenende mit Demonstration, Kundgebung und Abendveranstaltungen Realität werden.

50 Jahre Stonewall – wir sind noch lange nicht angekommen!

Der CSD Freiburg feierte in seiner jetzigen Konstellation dieses Jahr ein kleines Jubiläum – vor 5 Jahren fragten sich ein paar Menschen in der Community „Warum gibt es in Freiburg eigentlich keinen CSD (mehr)?“ Was im ersten Jahr noch relativ zügig in ein paar Monaten über die Bühne ging – die Planung von Demonstration, Kundgebung und Partys – ist mittlerweile ein nicht zu unterschätzender Kraftakt geworden, den ein sehr kleines Orga-Team jedes Jahr aufs Neue stemmt. Von Jahr zu Jahr steigende Teilnehmendenzahlen sowie die Professionalisierung des Ablaufs führten zu immer höheren Ansprüchen, Anforderungen und Auflagen, die die Organisation dieses Fests der Liebe zu einer wahren Herausforderung machen. Und dennoch: wir erreichten auch 2019 eine Teilnehmendenzahl, die gut ein Drittel höher war als im Vorjahr – unser Konzept geht auf, der umwerfende Erfolg gibt uns recht. Ein unkommerzieller, alternativer CSD ist möglich!

Politisches Fazit 2019 und Kritik

Auch dieses Jahr ziehen wir für die Demonstration/Parade und die anschließende Kundgebung auf dem Stühlinger Kirchplatz insgesamt eine positive Bilanz. 2019 ist es uns wieder gelungen, ein schönes, großes und liebevolles Fest für alle Menschen zu organisieren. Was uns allerdings sprachlos macht: zwischen unserer Demo 2018 und der diesjährigen wurde keine einzige unserer langjährigen Forderungen erfüllt. Solange unsere Forderungen und somit auch die Community nicht vollumfänglich in der Gesellschaft ankommen, bleiben wir unbequem und erinnern jedes Jahr an all die Dinge, die das Leben von LSBATIQ*-Personen einschränken und beschneiden.

Alle Motivwägen dieses Jahr waren politisch und gesellschaftskritisch erarbeitet und folgten unserer Empfehlung, sich mit dem diesjährigen Motto auseinanderzusetzen – auch hierfür möchten wir uns herzlich bedanken! Alle Teilnehmenden hielten sich dieses Jahr an unsere Teilnahmebedingungen und die vorher kommunizierten Auflagen, was uns die Arbeit erleichterte. Alles in allem hat trotz kleinerer Probleme alles funktioniert und wir wünschen uns weiterhin eine gute Zusammenarbeit mit den teilnehmenden Gruppen, um den Ablauf weiter zu verbessern.

Sich spontan entwickelnde organisatorische Schwierigkeiten konnten wir gut abfedern. Zwei Dinge liegen uns dennoch am Herzen: Für die langen Wartezeiten vor dem Einlass zu unserer offiziellen CSD Afterparty möchten wir uns ausdrücklich entschuldigen. Dies hatte zwei zentrale Gründe. Einer davon liegt in Einlass- bzw. Alterskontrollen aller Personen, was mit uns im Vorfeld nicht abgesprochen wurde. Für eine bessere Planung und zukünftige Eingangskontrollregelung setzten wir uns in einem Nachgespräch mit dem Team der Mensa zusammen. Ein weiterer Grund lag im nur sporadisch genutzten Vorverkauf der Partytickets, sodass an der Abendkasse große Menschenmengen abgefertigt werden musste. Wir möchten Euch daher für nächstes Jahr ans Herz legen, den Vorverkauf aktiv zu nutzen – und somit über die VVK-Kasse schneller auf unsere Party zu gelangen. Wir werden uns für das kommende Jahr bemühen, dass Inhaber*innen eines VVK-Tickets schneller Einlass erhalten.

Ein generelles Problem auf dem Platz der Alten Synagoge – wie schon im letzten Jahr – möchten wir nochmals aufgreifen: Gerade auf so einem überhitzten Platz ist der Entwurf einer Gedenkstätte für die ehemals dort stehende Synagoge als offene Wasserfläche im Grundriss der Synagoge aber doppelt ungünstig. Wir finden es respektlos, dass Menschen diese Gedenkstätte als Planschbecken und Bierkühlung missbrauchen. Um dies zumindest am Tag des CSDs zu verhindern, hat sich die CSD-Orga, wie schon 2018, entschlossen, keine Kundgebung, sondern nur die Aufstellung am Platz der alten Synagoge durchzuführen; abgelegte Rosen am Brunnenrand drückten unsere Anteilnahme aus und sollten die Wasserfläche als Gedenkstätte besser hervorheben. Wir wünschen uns hier eine Lösung von der Stadt, die dem Andenken an die Alte Synagoge gerecht wird und wünschen uns von allen Menschen bis dahin einen sensibleren Umgang mit der Gedenkstätte.

Last but not at all least: Wir verstehen den CSD als Erinnerungstag an die Aufstände der queeren Community in der Christopher Street, als Tag an dem alle Menschen, egal welchen geschlechtlichen Identität oder welcher sexueller Orientierung, sich so zeigen dürfen wie sie sind. Es ist der Tag, an dem die Anliegen der queeren Community ihren Platz in der Mitte der Gesellschaft – in der Mitte der Stadt – finden, sowie alle aktiven queeren Gruppen und deren Unterstützenden für ihre Rechte und Anliegen auf die Straße gehen. Wir freuen uns sehr, dass im Vorfeld zum CSD 2019 ein für uns ungewohnt guter und konstruktiver Austausch mit den beteiligten Stellen der Stadt stattgefunden hat. Wir sind einer der größten CSDs in Deutschland (im Hinblick auf die Teilnehmendenzahl)! Wir sind unkommerziell! Wir sind ehrenamtlich! Wir sind ein Teil von Freiburg und wir bleiben!

Zahlen

Der CSD Freiburg wird von Vielen getragen und unterstützt. Dafür sind wir dankbar und darauf sind wir stolz. Weder die Parade noch die Kundgebungen und andere CSD-Veranstaltungen wurden von kommerziellen Werbebannern erdrückt. Wir sind stolz darauf, euch nach bisherigem Stand auch in diesem Jahr sagen zu können: ganz ohne Gebühren für Paradewagen, Infostände und Fußgruppen, überhöhte Eintrittspreise oder übermäßiges Sponsoring – ein unkommerzieller CSD ist möglich!

Für uns stehen Inhalte im Vordergrund, weshalb wir dieses Jahr nochmal ganz klar an alle teilnehmenden Gruppen kommuniziert haben: seid politisch, seid kreativ! Der CSD war und ist für uns eine politische Veranstaltung. Politische Inhalte, Workshops und Diskussionen, sowie queere Kultur- und Partyveranstaltungen, die Kundgebung und die Demonstration durch die Freiburger Innenstadt stehen im Mittelpunkt unseres Handelns. Diese Linie haben wir über die vergangenen Jahre fortgeführt und verzeichnen hiermit immer größeren Erfolg. Die Anzahl der Wagen ist dieses Jahr mit 16 zu betiteln, die Teilnehmenden an der Parade haben sich erneut um etwa ein Drittel erhöht. Die Schätzungen bezüglich der Demoteilnehmer*innen reichen von „weit über 10.000“ (Polizei) bis zu 15.000 Personen (CSD-Orga). Die Anzahl der Zuschauenden wird sich in einem noch höheren Rahmen beziffern lassen. Mit Sicherheit waren es wieder einmal tausende Menschen, die an diesem Tag für die Rechte von LSBATIQ*-Personen auf die Straßen gegangen sind und damit auch international, beispielsweise mit den Aktivist*innen in Venezuela oder der Türkei, Solidarität gezeigt haben.

Ein Kernteam aus zwölf Ehrenamtlichen verschiedenster sexueller Orientierungen und geschlechtlicher Identitäten, sozialer und geografischer Herkunft sowie aller Altersstufen hat ein Jahr lang darauf hingearbeitet, den CSD Freiburg in dieser Form zu ermöglichen und queere Netzwerke zu erweitern. Insgesamt lässt sich sagen, dass der Freiburger CSD von hunderten Menschen getragen, von Tausenden unterstützt und noch mehr Menschen in Bewegung gebracht wurde.

Awareness

Wir haben uns auch in diesem Jahr von euch einen verantwortungsbewussten Umgang mit euch selbst (Alkohol/Drogenkonzept), mit anderen und eurer Umwelt (Müllkonzept) gewünscht. Dies bezog sich auch auf den Konsum von Speisen und Getränken (vegan).

Kern unseres Awarenesskonzeptes war, dass wir übergriffiges Verhalten, Homo- und Trans*feindlichkeit, sowie Sexismus, Rassismus, Ableismus und Nationalismus auf unseren Veranstaltungen nicht dulden. Tausende Menschen haben zusammen den CSD gefeiert und trotz sexuell aufgeheizter und berauschter Stimmung, Menschenmassen und lauter Musik eine äußerst freundliche, friedliche und respektvolle Atmosphäre geschaffen. Leider wurde uns von einem Fall sexueller Belästigung erst im Nachhinein berichtet. Wir möchten noch einmal betonen, dass für Menschen, die sich übergriffig verhalten und damit Grenzen anderer nicht berücksichtigen auf unseren Veranstaltungen kein Platz ist! Wir wünschen uns von allen einen respektvollen Umgang miteinander und bitten jede*n, die*der sich belästigt fühlt, sich an unser Awareness-Team oder die Security zu wenden, denn genau dafür sind sie da und nur so kann man zeitnah handeln – im Sinne der Betroffenen, als auch um erneuten Übergriffen entgegen zu wirken.

Das Besondere am CSD Freiburg

Der Freiburger CSD 2019 war unkommerziell, wie seit 2014 in jedem Jahr. Dies ermöglicht es uns weder für teilnehmende Paradewagen, noch für Fußgruppen oder Infostände Gebühren zu erheben und damit einen größtmöglichen Zugang für alle zum CSD in Freiburg zu schaffen. Auch hier können wir nur alle anderen CSDs ermutigen wieder mehr die eigentliche Sache in den Mittelpunkt zu stellen. Der CSD ist keine kommerzielle Werbeveranstaltung, die durch Werbebanner erschlagen werden sollte, sondern eine politische und das soll auch so bleiben.

Der Freiburger CSD 2019 war antirassistisch und gegen Nationalismus gerichtet, wie seit 2014 in jedem Jahr. Forderungen wie beispielsweise die nach einem Bleiberecht für alle Geflüchtete sind für uns elementar, unter denen LSBATIQ*-Menschen eine mehrfach bedrohte Gruppe darstellen. Wir werden uns auch weiterhin für die Rechte aller Menschen einsetzen.

Der Freiburger CSD 2019 war antifaschistisch, wie seit 2014 in jedem Jahr. Der Wagen der CSD-Orga fuhr unter dem Label der „Antihomophoben Aktion“ der Parade voraus. Die politische Positionierung eines CSD war in ihren Ursprüngen schon immer links, ist links und sollte auch immer links bleiben. CSDs sind Gedenktage an die Aufstände und Straßenschlachten queerer Menschen in der New Yorker Christopher Street im Jahr 1969. Die politischen Anliegen der queeren Gemeinschaft sind seit jeher Teil antifaschistischer Politik. Dass der offizielle Wagen der CSD-Orga unter der Regenbogenflagge der „Antihomophoben Aktion“ fährt ist also angesichts der CSD-Geschichte eine logische Konsequenz. Der Freiburger CSD 2019 war solidarisch und mit anderen sozialen Bewegungen vernetzt, wie seit 2014 in jedem Jahr. Ausgrenzung und Diskriminierung betrifft Menschen auf vielfältige Weise, sodass wir die queere Bewegung auch mit anderen Antidiskriminierungs- und Menschenrechtsbewegungen, der Tierrechtsbewegung und der ökologischen und der Klima-Bewegung verbunden sehen. Wir erklären uns auch in Zukunft mit emanzipatorischen sozialen Bewegungen solidarisch. Im Rahmen dessen war das Catering auf dem Stühlinger Kirchplatz auch dieses Jahr vegan, um auf diese Verbindungen aufmerksam zu machen.

Damit wir unserer Linie auch weiterhin treu bleiben können, bitten wir euch, den Freiburger CSD auch weiterhin zu unterstützen. Spendet bitte, damit der CSD ein unkommerzielles Projekt bleiben kann (https://freiburg-pride.de/kontakt-spenden/).

Kommt zu den offenen Planungstreffen und engagiert euch beim CSD-Verein.

Bringt euch und eure Ideen ein!

Eure CSD Freiburg Orga

Danksagungen

Danke an alle Spender*innen,

Danke an alle ehrenamtlich Helfenden,

Danke an alle, die vom Malen der Transparente, über das Tragen der Botschaften auf der Demonstration/Parade bis hin zum Schleppen der Stromkabel, Generatoren, Pavillons, Tische und Auf-/Abbau der Technik beteiligt waren,

Danke an die Riot!-Queen und ihr Gefolge,

Danke an alle, die trotz Dunkelheit mitgeholfen haben, den Park aufzuräumen und Müll eingesammelt haben,

Danke an alle, die sich tagelang mit der Technik, Strom und Wasser, Verkabelungen, dem Abmischen der Musiker*innen und dem Aufbau der Bühne abgemüht haben,

Danke an die bildenden Künstler*innen und Handwerker*innen, die sich mit dem Bau der vielen bunten CSD-Wagen so richtig ins Zeug gelegt haben,

Danke an unsere LKW-Fahrer*innen und deren Team,

Danke an subculture für die Bewerbung und Unterstützung,

Danke an die Schwule Filmwoche für die Bewerbung,

Danke an den Konzertservice Freiburg für die Plakatierung,

Danke an das Theater Freiburg für die „Beflaggung“,

Danke an das Jos Fritz Café für die Kooperation im Zuge der CSD Countdownwochen,

Danke an den Oberbürgermeister und seine Mitarbeitenden für den CSD Empfang, die Organisation der Kehrmaschine hinter der Parade und Danke an die ASF für ihren Einsatz,

Danke an die Leitung der Stabstelle Gender und Diversity der Stadt Freiburg und ihr Team für die Anregung des CSD Empfangs & Unterstützung bei der Beflaggung.

Danke an alle, die uns zu minimalen Gebühren mit Veranstaltungstechnik versorgt haben,

Danke an das fantastische Catering von Amara während der Veranstaltungen auf dem Stühlinger Kirchplatz,

Danke an das Regenbogen-Referat für die Unterstützung,

Danke an die Steppaz für die Organisation der großen CSD-Party in der Mensa und an alle Clubs und Lokalitäten, die uns ihre Veranstaltungsräume für CSD-Solipartys zur Verfügung gestellt haben,

Danke an die Mensa und deren Team für die professionelle Planung und Unterstützung der CSD-Party,

Danke an die Security bei der Party in der Mensa,

Danke an das Awareness-Team,

Danke an die CSD-Moderator*innen,

Danke an unseren Techniker für die Unterstützung bei der Aufnahme der Wagenrede,

Danke an alle Redner*innen, die auf der Abschlusskundgebung sowie CSD-Veranstaltungen im Zuge der Countdownwochen über die politischen Belange der LSBTIQA*-Community und über ihre ganz persönlichen Biografien informiert haben,

Danke an alle Künstler*innen, die uns mit ihren Performances und DJ-Sets auf den Wagen und in den Clubs erfreut und bereichert haben,

Danke an die Polizei Freiburg für dauerhaft konstruktive Gespräche im Vorfeld zum CSD 2019,

Danke an alle Einsatzkräfte der Polizei und der Sanitätsdienste, die für einen reibungslosen Ablauf und für Sicherheit gesorgt haben,

Danke an alle Gruppen und Initiativen der queeren Szene für ihre Teilnahme und Unterstützung,

Danke auch an alle, die spontan mitangepackt haben,

Danke an alle Teilnehmer*innen der Parade,

… und vielen Dank an alle, die wir in dieser Liste eventuell vergessen haben.

Ein ganz herzliches DANKE an euch ALLE – der CSD war nur mit euch zusammen möglich.