Don´t be quiet – be riot!
Die Emanzipation der queeren Community schreitet in den letzten Jahren in den westlichen Ländern unaufhaltsam voran. 50 Jahre nach den Aufständen in der New Yorker Christopher Street sind wir frei wie nie, können leben wie wir es für richtig halten, ohne Repression, ohne gesellschaftliche Rückschritte, ohne anzuecken und vor allem ohne Anfeindungen in der Gesellschaft, im alltäglichen oder im Nachtleben. Wir bewegen uns wann, wie und mit wem wir wollen, unsere jahrelangen Forderungen sind erfüllt – Prides längst überflüssig geworden.
Aus der Traum…
Heutzutage noch an so utopische Dinge wie eine nahende vollkommene Gleichstellung aller Menschen in unserer Gesellschaft zu glauben – davon ist der CSD Freiburg weit entfernt. Woran wir aber glauben, woran wir uns festhalten, ist die Überzeugung, dass es ohne Aufschrei und Durchhaltevermögen nicht geht. Den Finger immer wieder in vor langer Zeit aufgerissene Wunden legen, in die eigene Verletzlichkeit eintauchen ohne sich dabei zu verlieren, im Gegenteil, hieraus die Kraft zu ziehen tagtäglich für die eigenen Rechte einzustehen und zu kämpfen, darin ist die LSBTIQA* Community Meister*in.
50 Jahre „Riot“
Die Stonewall Riots jähren sich am 28. Juni 2019 zum 50. Mal. In der Nacht vom 27. auf den 28.06.1969 kam es um ca. 1:20 Uhr im Stonewall Inn, einer Szenekneipe für queere Personen in der New Yorker Christopher Street, wie schon so oft zu einer Razzia der Polizei. Die Mehrheit der Gäste des Stonewall Inn widersetzten sich der Verhaftung, teilweise gewaltsam wurde gegen die dauerhaften Repressionen der Polizei rebelliert. Bei den Razzien wurden nicht nur die Identitäten der Anwesenden festgestellt und oftmals sogar in der Presse veröffentlicht, meist wurden so viele Menschen verhaftet wie in die Polizeiwägen vor Ort passten. Diesem Widerstand gegen öffentliche Denunzierung, Verstößen gegen geltendes Menschenrecht und Unterdrückung gedenken Prides rund um den Globus jährlich.
Das Stonewall Inn – im städtischen Fokus
Weshalb fanden überhaupt derartige Razzien statt? Das Stonewall Inn war wegen mehrerer Vergehen in städtischem Verruf: von der Mafia geführt, ohne Schankerlaubnis, mit leicht bekleideten Go-Go-Boys werbend und einem Großteil von Gästen, die dem People of Color (PoC) Spektrum angehörten, verstieß es in diversen Fällen gegen die damals gültige New Yorker Sittenhaftigkeit. Letztere, mehrfach diskriminiert, führten den gewaltsamen fünftägigen Widerstand in der Christopher Street maßgeblich an, unter ihnen Sylvia Rivera (trans*Frau, ihr wird nachgesagt, sie hätte die Prügelei gestartet indem sie nach einer Schlagstockattacke eine Flasche nach einem Polizisten warf) und Marsha P. Johnson (Drag Queen, Sexarbeiterin, Gründerin der Street Transvestite Action Revolutionaries STAR).
Befreiung, erneute Unterdrückung und Intersektionalität
Im Juli 1969 gründete sich daraufhin die Gay Liberation Front (GLF). Die vormals im Untergrund laufende Vernetzung von LSBTIQA* Menschen wurde erstmals nach außen getragen, ein neues Selbstbewusstsein hielt Einzug. Im Folgejahr 1970, in Erinnerung an die Aufstände rund um Stonewall, gab es die erste Demonstration der queeren Community durch New York, an der zwischen 5.000 und 10.000 Menschen teilnahmen. Stonewall war der lang erwartete Befreiungsschlag, in welchem sich gleichzeitig Diskriminierungsformen innerhalb der queeren Community entwickelten. In der Hoffnung, es käme zu einer zügigeren Gleichstellung und Akzeptanz von Lesben und Schwulen, wenn sie nur möglichst an die herrschende weiße Bevölkerung angepasst und möglichst unauffällig wären, wurden People of Color 1972 von der GLF ausgeschlossen. Auch heute kämpfen PoCs sowie körperlich und/oder geistig eingeschränkte LSBTIQA* Personen dauerhaft mit Intersektionalität, also den (Mehrfach-) Diskriminierungen denen sie in der Gesellschaft, aber auch innerhalb der queeren Community, ausgesetzt sind. Unterdrückungsformen innerhalb unserer Community sind ebenso vielfältig wie in der Gesellschaft, es gibt noch immer zu viele Vorurteile und Barrieren im Kopf, die es abzubauen gilt.
Don´t be quiet!
Hier setzen CSDs und Prides weiterhin an. Wir lassen uns nicht länger spalten! Wir sind so bunt wie der Regenbogen und doch ergibt sich nur gemeinsam die Flagge in die wir uns beim CSD hüllen. Zugehörigkeit zeichnet sich nicht durch Anpassung aus, sondern durch gesehen und angenommen werden in unseren Unterschieden. Der CSD Freiburg steht in Erinnerung an die Aufstände in der Christopher Street, wir stellen uns gegen Rassismus und Ausgrenzung jeglicher Art aufgrund von Aussehen, sozialer und kultureller Herkunft, körperlicher/seelischer Beschaffenheit, sexueller Orientierung und Identität, Geschlecht sowie religiöser Zugehörigkeit. Wir sind laut gegen die Ungleichheiten und Rückschritte in unserer Gesellschaft! Es kann keine Freiheit ohne gleiche Rechte für alle geben! Hierzu zählen nicht nur die bereits erkämpfte „Ehe für alle“ oder die Streichung von Transgeschlechtlichkeit aus dem ICD 11 der WHO als psychische Störung. Wir kämpfen genauso für die Entstigmatisierung von Intergeschlechtlichkeit und damit einhergehender Zwangszuordnung zum binären Geschlechtersystem (die sich oftmals immer noch in medizinisch nicht notwendigen geschlechtszuweisenden Operationen an Babys und Kleinkindern äußert), wie mehr Sichtbarkeit und Representation von A_sexualität, der Anerkennung vieler verschiedener Formen von Familie und für die Sicherheit im Nachtleben von gleichgeschlechtlichen Paaren, trans* Personen, Drag Queens und Kings sowie allen Menschen, die aufgrund ihrer sexuellen Orientierung oder ihres Geschlechts(-ausdrucks) Gewalt erfahren. Wir solidarisieren uns mit queeren Menschen in anderen Ländern, in denen sie aufgrund ihrer sexuellen Orientierung oder ihrer selbstbestimmten Geschlechtsidentität verfolgt und getötet werden. Unsere Forderungen findet ihr unter:
Be riot!
Schließt euch uns an! Seid politisch! Seid laut! Der CSD Freiburg 2019 steht in Erinnerung an die LSBTIQA*-Personen sowie der Drag Queens und Kings des Stonewall Inn, allen voran den PoCs, die für ihre Rechte auf queere Lebensrealität ihr Leben riskiert haben! Wir lassen uns nicht mehr unterdrücken! Wir treten gesellschaftlichen Rückschritten entschieden entgegen! Jede*r von euch ist aufgerufen, sich innerhalb der eigenen Möglichkeiten einzubringen – sei es mit demonstrieren, bei Diskussionen mit Verwandten und Bekannten, in Schulklassen die eigene Geschichte erzählen, Online-Aktivismus, Workshops geben, queere Gruppen finanziell unterstützen, Unterschriften sammeln, Infostände betreuen, Safe Spaces organisieren etc. Aktivismus ist so vielfältig wie wir alle! 50 Jahre Stonewall – wir sehen uns auf den Straßen!
Liebe, eure CSD Orga
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